Kinder des Olymp

Originaltitel: Les enfants du paradis
Darsteller: Arletty, Jean-Louis Barrault, Pierre Brasseur
Regie: Marcel Carné
F 1945 / D 1947

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„Kinder des Olymp“ (Originaltitel: Les Enfants du paradis) aus dem Jahr 1945 wird von Kritikern und Filmemachern regelmäßig zum besten französischen Film aller Zeiten gewählt.

Der Film wurde zwischen 1943 und 1945 während der Besetzung Frankreichs durch die Nazis gedreht. Dies geschah unter schwierigsten Bedingungen. Die Produktion musste mit der Zensur der Nazis und der Vichy-Regierung umgehen. Film-Material war extrem rar. Der legendäre Szenenbildner Alexandre Trauner und der Komponist Joseph Kosma, beide jüdischer Herkunft, mussten im Verborgenen arbeiten. Ihre Namen durften im Vorspann nicht auftauchen und wurden von Freunden gedeckt.

In einer Zeit der Unterdrückung einen derart aufwendigen, teuren und langen Film zu drehen, der die französische Kultur, die Freiheit des Theaters und die unbezwingbare Kraft der Liebe feiert, war an sich schon ein Akt des Widerstands und ein politisches Statement.

Der Film ist ein gewaltiges, über dreistündiges Epos, das im Pariser Theaterviertel des 19. Jahrhunderts, dem „Boulevard des Verbrechens“, spielt. Es geht um die unerfüllte und unmögliche Liebe von vier sehr unterschiedlichen Männern zu einer einzigen Frau, der rätselhaften Garance (gespielt von der Ikone Arletty).

Jeder Mann repräsentiert eine andere Form der Liebe:

  • Der Pantomime Baptiste: Die stille, romantische, idealisierte Liebe.
  • Der Schauspieler Frédérick Lemaître: Die laute, dramatische, performative Liebe.
  • Der Verbrecher Lacenaire: Die zynische, besitzergreifende Liebe.
  • Der Graf de Montray: Die wohlhabende, kaufbare Liebe.

Ein zentrales Thema ist die fließende Grenze zwischen dem Leben auf der Bühne und dem Leben dahinter. Die Charaktere sind Künstler, deren reale Leidenschaften sich in ihrer Kunst spiegeln. Baptistes Leben ist eine einzige Pantomime seiner Sehnsucht nach Garance. Frédéricks Leben ist so dramatisch wie seine Bühnenrollen. Der Film selbst fühlt sich an wie ein großes, aufwendiges Theaterstück.

Der Titel hat eine wunderschöne Doppelbedeutung. Im französischen Theaterjargon des 19. Jahrhunderts war „le paradis“ (der Olymp oder das Paradies) der umgangssprachliche Name für die oberste und billigste Galerie im Theater, wo das einfache Volk saß. Die „Kinder des Olymp“ sind also die Zuschauer auf den billigen Plätzen, die das Geschehen auf der Bühne bejubeln. Aber auch die Hauptfiguren des Films, die Schauspieler, Pantomimen, Verbrecher, sind selbst „Kinder des Olymp“, die in ihrer eigenen Welt aus Kunst, Träumen und Leidenschaften leben, hoch über der banalen Realität des Alltags.

Der Film gilt als der absolute Höhepunkt der Zusammenarbeit zwischen dem Regisseur Marcel Carné und dem Drehbuchautor und Dichter Jacques Prévert. Sie waren die führenden Köpfe des „Poetischen Realismus“ im französischen Kino, und „Kinder des Olymp“ ist dessen opulentestes und berühmtestes Beispiel. Préverts Dialoge sind legendär für ihre poetische und gleichzeitig lebensnahe Qualität.

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