„Die Nacht des Jägers“ (Originaltitel: The Night of the Hunter) aus dem Jahr 1955 ist ein einzigartiger Film und gilt heute als eines der größten Meisterwerke der Kinogeschichte.
Was gleich in dem Film auffällt: Der Film sieht nicht realistisch aus, sondern wie ein düsteres, fieberhaftes Märchen oder ein Albtraum. Die Schwarz-Weiß-Kinematografie von Stanley Cortez ist von den deutschen expressionistischen Filmen der 1920er Jahre beeinflusst. Er benutzt starke Kontraste: Tiefe, bedrohliche Schatten und überstrahltes Licht. Ein weiteres Stilmittel sind ungewöhnliche Perspektiven: Die Kamera nimmt oft die Perspektive der Kinder ein und lässt die Welt der Erwachsenen riesig und verzerrt wirken. Die Bilder sind voller Symbolik. Eine berühmte Szene ist eine Unterwasseraufnahme der ermordeten Mutter, die mit im Wasser wehenden Haaren wie eine unheimliche Märchengestalt auf dem Grund eines Flusses sitzt.
Der Film war die erste und einzige Regiearbeit des weltberühmten, Oscar-prämierten Schauspielers Charles Laughton. Das macht den Film an sich schon zu einer filmhistorischen Rarität. Die tragische Ironie dabei ist, dass bei seiner Veröffentlichung 1955 der Film von Kritikern und dem Publikum komplett abgelehnt wurde. Niemand wusste etwas mit dem seltsamen, unkonventionellen und nicht-realistischen Stil anzufangen.
Charles Laughton war von diesem Misserfolg so tief enttäuscht und verletzt, dass er nie wieder einen Film inszenierte.
Robert Mitchums Darstellung des falschen Predigers Harry Powell gilt als eine der ikonischsten Schurkendarbietungen aller Zeiten. Die tätowierten Fingerknöchel: Das Bild seiner Hände mit den Tätowierungen L O V E auf der einen und H A T E auf der anderen ist unvergesslich und die Geschichte vom ewigen Kampf zwischen Gut und Böse mit seinen Händen erzählt, ist legendär. Powell ist kein komplexer Antiheld. Er ist das pure, manipulative Böse, das sich hinter der Maske der Frömmigkeit versteckt, um seine Gier und Mordlust zu befriedigen.
Der Film ist mehr als nur ein Thriller. Er ist eine Parabel, erzählt aus der naiven, aber widerstandsfähigen Perspektive der beiden Kinder, die vor dem „bösen Wolf“ fliehen. Dem absoluten Bösen von Harry Powell wird die unerschütterliche, beschützende Güte der alten Rachel Cooper (gespielt von der Stummfilm-Legende Lillian Gish) entgegengesetzt. Die Szene, in der sie mit einer Schrotflinte auf der Veranda Wache hält, während Powell im Dunkeln singt, ist ein eindrucksvolles Duell der beiden Mächte.
Nachdem der Film jahrzehntelang als bizarrer Misserfolg galt, wurde er in den 1960er und 70er Jahren von Kritikern (insbesondere in Frankreich) und Filmemachern wiederentdeckt und neu bewertet. Heute wird er von Regisseuren wie Martin Scorsese, Spike Lee oder den Coen-Brüdern als Meisterwerk und wichtiger Einfluss genannt und landet regelmäßig auf Listen der besten Filme aller Zeiten.