„Die Wüste lebt“ (Originaltitel: The Living Desert) aus dem Jahr 1953 ist ein ganz besonderes Stück Kinogeschichte. Dieser Film war der erste abendfüllende Dokumentarfilm in Walt Disneys bahnbrechender Reihe „True-Life Adventures“ (Walt Disneys Abenteuer aus dem Reich der Natur). Vorher waren Naturfilme meist kurze, sachliche Lehrfilme. Disney hat mit dieser Reihe das Genre revolutioniert, indem er die Naturdokumentation für ein breites Publikum ins Kino brachte und zu einem unterhaltsamen, kommerziell erfolgreichen Ereignis machte.
Der Film war ein riesiger Erfolg. Er gewann 1954 den Oscar als Bester Dokumentarfilm und spielte ein Vielfaches seiner Produktionskosten ein. Dieser Erfolg bewies den großen Hollywood-Studios, dass es einen Markt für Dokumentarfilme gab, und ebnete den Weg für unzählige Naturfilme, die folgten (z.B. von National Geographic oder der BBC).
Das stilistisch Besondere ist, wie der Film seine Geschichten erzählt. Anstatt nur Fakten zu präsentieren, nutzte Disney Techniken des Spielfilms, um die Tierwelt zu dramatisieren. Den Tieren wurden durch den Schnitt, die Musik und den humorvollen Kommentar menschliche Eigenschaften und Motivationen zugeschrieben. Sie wurden zu „Charakteren“ in kleinen Dramen.
Berühmtestes Beispiel ist der „Skorpion-Tanz“, bei dem das Paarungsritual von Skorpionen mit schwungvoller Square-Dance-Musik unterlegt wird, was es wie einen komischen Tanz aussehen lässt. Ein anderes Beispiel ist der spannungsgeladene Kampf zwischen einer Tarantel und einer Pepsis-Wespe.
Um das verborgene Leben der Wüste einzufangen, setzten die Kameraleute für die damalige Zeit revolutionäre Techniken ein:
- Zeitrafferaufnahmen, um das Aufblühen von Wüstenblumen nach einem Regen zu zeigen.
- Zeitlupenaufnahmen, um die Bewegungen kämpfender Tiere zu analysieren.
- Makroaufnahmen, um Insekten und kleine Reptilien in beeindruckender Nähe zu zeigen.
Für das Publikum der 50er Jahre war dies ein völlig neues und faszinierendes Seherlebnis.
Ein ebenfalls besonderer, aber kritischer Aspekt ist die Frage der Authentizität. Die „True-Life Adventures“-Reihe wurde später dafür kritisiert, Szenen zu inszenieren oder zu manipulieren, um eine bessere Geschichte zu erzählen. Beim berühmten Skorpion-Tanz wird vermutet, dass die Tiere auf einer erhitzten Platte gefilmt wurden, um sie zu „animieren“. Die Methode, die Unterhaltung über die strenge wissenschaftliche Dokumentation stellt, ist ein Markenzeichen der Serie, das „Die Wüste lebt“ begründet hat.