Infam (Audrey Hepburn, Shirley MacLaine)

Originaltitel: The Children’s Hour
Darsteller: Audrey Hepburn, Shirley MacLaine, James Garner
Regie: William Wyler
USA 1961 / D 1962

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Regisseur William Wyler verfilmte das zugrundeliegende Theaterstück „The Children’s Hour“ von Lillian Hellman hier bereits zum zweiten Mal. Sein erster Versuch war der Film „These Three“ (dt. „Infame Lügen“) aus dem Jahr 1936.

Der Grund für das Remake war der berüchtigte Hays Code, ein strenger Zensurkodex, der in Hollywood von den 1930er bis in die 1960er Jahre galt. Das zentrale Thema des Stücks – eine Lüge über eine lesbische Beziehung zwischen den beiden Lehrerinnen – war 1936 absolut tabu. Wyler musste die Handlung für „These Three“ komplett ändern: Die Lüge wurde in eine angebliche heterosexuelle Affäre zwischen einer der Lehrerinnen und dem Verlobten der anderen umgewandelt.
25 Jahre später war der Hays Code zwar immer noch in Kraft, aber bereits so aufgeweicht, dass William Wyler die Geschichte endlich so erzählen konnte, wie sie ursprünglich gedacht war. „Infam“ ist also die treuere und direktere Verfilmung des Stoffs.

Der Film brachte zwei der größten weiblichen Stars ihrer Zeit zusammen: Audrey Hepburn und Shirley MacLaine. Beide waren auf dem Höhepunkt ihres Ruhms. Die Zusammenarbeit der beiden sehr unterschiedlichen Schauspielerinnen verlieh der dynamischen Beziehung ihrer Charaktere enorme Tiefe und Spannung. Für James Garner, der den Arzt Joe Cardin spielte, war es eine willkommene Gelegenheit, eine ernsthafte dramatische Rolle zwischen zwei so profilierten Darstellerinnen zu spielen.

Obwohl der Film die zentrale Lüge nun direkt benennen durfte, war das Thema Homosexualität 1961 immer noch extrem heikel. Der Film behandelt es als eine zerstörerische, tragische Kraft, die Leben vernichtet – ganz im Sinne der damaligen gesellschaftlichen Vorstellungen. Shirley MacLaines Charakter Martha gibt am Ende zu, tatsächlich Gefühle für Karen (Audrey Hepburn) zu haben, was zu ihrem tragischen Selbstmord führt. Diese Darstellung wurde später von LGBTQ+-Aktivisten oft kritisiert, war aber für die damalige Zeit ein unerhörter und mutiger Schritt im Mainstream-Kino.

Die Rolle des boshaften, lügenden Kindes Mary wurde von Veronica Cartwright gespielt. Ihre Darstellung war so überzeugend und verstörend, dass sie nach eigenen Angaben nach Veröffentlichung des Films von fremden Menschen auf der Straße beschimpft wurde, weil diese Film und Realität nicht trennen konnten.

An den Kinokassen war der Film kein großer Erfolg. Das düstere, deprimierende Thema schreckte viele Zuschauer ab, die von Audrey Hepburn leichtere Unterhaltung wie „Frühstück bei Tiffany“ (der im selben Jahr erschien) gewohnt waren. Die Kritiker hingegen lobten den Film für seinen Mut und die herausragenden schauspielerischen Leistungen. Der Film erhielt fünf Oscar-Nominierungen, unter anderem für Fay Bainter als Beste Nebendarstellerin (in ihrer letzten Filmrolle), ging bei der Verleihung aber leer aus.

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